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Auftragsmord

Sie zog alle Blicke auf sich, als sie die düstere Spelunke betrat. Hester Silverman wusste welchen Anblick sie bot, doch sie dachte nicht daran, ihren Hut oder die große Sonnenbrille abzunehmen, als sie zur Bar schritt, auf den Glatzkopf in kariertem Flanellhemd zu.

„Hier drin müssen Sie sich nicht vor der kalifornischen Sonne verstecken. Hier scheint die Sonne für keinen“, knurrte Jeff „The Hammer“ Crabb und führte sein Bierglas zum Mund. Daneben stand ein Schnapsglas. Sie setzte sich auf den Barhocker neben ihn. Er hatte recht. Ein kurzer Blick durch den diffus beleuchteten Gastraum zeigte Hester Gestalten, die aussahen wie die, die sie vor Gericht für ihre Taten zur Rechenschaft ziehen versuchte. Sie sah Betrunkene an einem Tisch, zwielichtige Typen im Gespräch in der hintersten Ecke und zwei Rocker am Billardtisch, die sie misstrauische beäugten.

„Was darf’s sein?“ Der Barkeeper war zwei Meter groß und hatte das Kreuz eines Bodybuilders.

„Ein Wasser bitte.“

„Wenn Sie nicht auffallen wollen, würde ich Schnaps bestellen und in Jogginghose hierher kommen, anstatt in dieser Verkleidung.“

„Sie wissen genau, dass das nicht geht. Der Wahlkampf geht in die heiße Phase. Jeder hier kennt mein Gesicht. Wenn Sie bereit gewesen wären …“

Sie verstummte, als der Barkeeper ihr ein Glas Wasser auf das Holz des Tresens knallte und verschwand.

„Sie wollen doch etwas von mir Frau Staatsanwältin und da ich nicht annehme, dass es legal ist, sind wir hier vor neugierigen Reportern sicherer als in jedem billigen Hotel in der Innenstadt.“

Sie verschluckte sich fast an ihrem Schluck Wasser, als sie ihn mit einem Zischen zum Schweigen bringen wollte.

„Hören Sie auf!“

„Im Gerichtssaal sind Sie mutiger. Sicher, dass Sie zur District Attorney von Kalifornien gewählt werden wollen? Meine Stimme verlieren Sie hier gerade.“

„Schluss jetzt. Sie wissen genau, dass ich Sie auf der Stelle verhaften lassen könnte. Der einzige Grund, weshalb Sie sich hier in Freiheit volllaufen lassen können ist der, dass Sie mir nützlich sind. Zwingen Sie mich nicht, meine Meinung zu ändern.“ Sie rutschte näher an ihn heran, hatte ihrer Stimme Schärfe beigemischt. Einer der Rocker trat neben sie, um sich ein Bier zu bestellen und stierte sie penetrant an.

„Was wollen Sie von mir, Lady?“, knurrte Jeff und knallte sein leeres Glas auf den Tresen.

„Sie müssen mir einen Gefallen tun. Sie müssen eine Laus für mich zerquetschen.“

Ein tiefes Ausatmen.

„Wen? Ihr Wahlkampfgegner Benson wird Sie einiges kosten.“

„Darum geht es nicht. Ich liege vor ihm in allen Umfragen.“

„Um wen dann?“

„Meinen Mann.“

Jeff war kein Mann, der sich leicht überraschen ließ. Doch diese Worte brachten ihn dazu seinen Kopf zu drehen. „Wenn er Sie wieder betrogen hat, hätte ich das doch in der Zeitung gelesen.“

„Ich wüsste nicht, dass Sie Zeitung lesen.“

Er grunzte. „Wenn ich mich richtig erinnere, hab ich in der Klatschspalte gelesen, wie sehr er Ihnen auf irgendwelchen Veranstaltungen den Hof macht und Ihnen im gesamten Wahlkampf den Kopf freihält.“

Hester zeigte keine Reaktion.

„Haben Sie etwa kein Vertrauen in mich? Wir sind doch quasi Partner.“

„Sorgen Sie einfach dafür, dass die Laus zerquetscht wird.“

„Er ist ein ehemaliger Senator. Das wird Sie einiges kosten.“

„Er hat mich schon so vieles gekostet … Diesen Preis zahle ich auch noch. Es wird der letzte sein.“

Hester erhob sich vom Barhocker und verließ die Kneipe. Jeff sah ihr nach, bis sie durch die Tür war, dann machte er sich auf zum Münztelefon bei den Toiletten.

 

„Es war eine schöne Idee von dir, nach dem Essen noch zum Pier zu gehen. Wir hätten so etwas viel öfter tun sollen.“ Im Licht der untergehenden Sonne, die ihnen ins Gesicht schien und hinter der Golden Gate Bridge in der Ferne gen Meer sank, lehnte Geoffrey sich auf die Brüstung an Pier 39. Die Seerobben auf den Planken vor ihnen jaulten und stanken.

„Ja. Das hätten wir.“ Hesters Augen huschten durch die Menge an Touristen um sie herum. Irgendwo würde er stehen. Der zukünftige Mörder ihres Mannes. Ihr Herz schlug laut, das fischige Abendessen wollte wieder raus.

„Ich weiß, dass ich in den letzten Jahren viele Fehler gemacht habe.“ Geoffrey wandte sich ihr zu. Seine Augen sahen sie an wie öfter in den letzten Monaten. Voller Wärme und Gefühl. Er hatte sein gutes Parfum benutzt, dass sie wie ferngesteuert zu ihm hinziehen konnte. Das war zumindest in den letzten Monaten wieder geschehen, trotz allem, was er ihr angetan hatte. Sie war trotz allem wieder auf sein Gesülze reingefallen, hatte ihm seine Unterstützung in ihrem Wahlkampf abgenommen, hatte ihn wieder in ihr Schlafzimmer gelassen.

„Meine Fehltritte mit diesen Frauen … Mir ist meine Macht zu Kopf gestiegen. Dir wäre so etwas nie passiert. Ich glaube, ich habe mich nie wirklich für mein Verhalten, dass dich in aller Öffentlichkeit bloßgestellt hat, entschuldigt.“

Hester wandte ihren Blick ab, zu den Robben, die sich gegenseitig ins Meer schubsten. Sie sehnte den Knall herbei, der ihn endlich zum Schweigen bringen würde. „Es tut mir leid, was ich dir angetan habe und ich verspreche dir, es wird nicht mehr vorkommen.“

Hester schluckte. Sein Ton flehte sie an, ihm zu glauben. Ihr Herz flehte sie an, ihm zu glauben. Doch sie wusste, dass er log. Sie hatte das Bild und die Nachrichten der Kleinen auf seinem Handy gesehen. Sie wusste, dass er es wieder getan hatte. Diesmal mit einer Minderjährigen. Als wollte er ihrer Karriere endgültig den Todesstoß versetzen.

„Und ich muss dir etwas gestehen.“ Er leckte sich über die Lippen, wie immer, wenn er nach den richtigen Worten suchte.

„Vor 19 Jahren war ich in Kenia auf politischer Reise und habe dieses kleine Baby und ihre Mutter kennen gelernt. Sie haben in furchtbaren Verhältnissen gelebt und ich habe beschlossen, sie monatlich finanziell zu unterstützen.“

„Was? Das hast du mir nie erzählt.“

„Es war die letzte gute Entscheidung, die ich für eine Weile getroffen habe. Ich wollte dir das damals nicht erzählen, ich hatte das Gefühl, ich hätte es als Entschuldigung für mein Verhalten benutzt. Verstehst du?“

Hester verstand nicht. Aber eine Vorahnung beschlich sie, kroch ihre Beine empor.

„Ich habe über die Jahre immer wieder Briefe von ihrer Mutter erhalten und irgendwann auch von ihrer Tochter. Sie hat die Schule beendet und wollte unbedingt hier in den USA studieren mit ihrem Freund. Also habe ich alles in die Wege geleitet. Sie ist seit drei Wochen am College und ich habe mich bereits ein paar Mal mit ihr getroffen, um ihr das Eingewöhnen hier zu erleichtern und ich habe ihr auch ein paar Sachen gekauft. Warte, ich zeige dir ein Bild von ihr.“

„Du hast … Wieso …“ Hesters Stammeln erstarb, als er ihr das Handy vor die Nase hielt und sie das Bild des Mädchens sah. Es war das Mädchen, das ihm geschrieben hatte. Das Mädchen, von dem sie gedacht hatte, er betrog sie mit ihr. Mit einer Minderjährigen. Wie durch einen Nebel hörte sie Geoffrey ihren Namen sagen. Fatima Binte Nur. Sie starrte ihn an, sah wie sich seine Lippen bewegten, doch sie hörte nichts mehr, als sie den kleinen roten Punkt sah.

Er tauchte ganz plötzlich auf, auf seiner Stirn, dort wo die untergehende Sonne seine Falten in warmes Licht tauchte. Er bemerkte es nicht, doch Hesters Herz setzte aus.

„Nein!“, brüllte sie und wollte Geoffrey zu Boden reißen, doch ehe sie ihre Hände an ihn legen konnte, hörte sie den Knall. Von jetzt auf gleich sank Geoffrey in sich zusammen, in ihren Armen und Blut sickerte aus einem kleinen Loch in seinem Kopf.

 

 

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