· 

Einer sieht alles - Teil 2

3 A-Marius und Dominic Weisser

Die beiden weigerten sich, die Kommissare in ihre Wohnung zu lassen. Sie standen in der Tür, zwei muskulöse, breite Männer, an denen kein Blick vorbeiführte, in den Flur dahinter.

„Hatten Sie näher mit Mark Hilger zu tun?“ „Der von unten? Nee.“ Marius Weisser war der mit der massiven Brust, vor der er nun seine Arme verschränkte. „Wir haben gehört, Sie haben sich letzte Woche mit ihm gestritten?“ „Wer sagt das?“ „Mehrere Zeugen“, erwiderte Kommissarin Heyer. „Es soll um ihre Geschäfte mit Autos gegangen sein, die ohne Nummernschilder in der Garage aufgetaucht und wieder ver­schwunden sind.“ „Wir wissen nicht, wovon Sie reden.“ Dominic Weisser strich über seinen Bart und wirkte nicht im Mindesten beunruhigt als ihr Kollege fortfuhr. „Das bedeutet, wenn wir der Sache nachgehen, werden wir darüber nichts in Erfahrung bringen?“ „Wir sind doch keine Hellseher.“ Dominik Weisser blickte zu Boden. „Wo waren Sie gestern Abend?“, wollte Kommissar Schmitt wissen. „Wir waren hier und haben einen Boxkampf gesehen. Der Fernseher aber war wohl zu laut. Die Nachbarn da drüben haben sich beschwert.“ Marius deutete auf die Wohnungstür am Ende des Flurs.

„Ist Ihnen sonst jemand im Haus bekannt, der Streit oder Probleme mit Herrn Hilger hatte?“ „Na jeder“, grummelte Dominik. „Wir mischen uns in sowas nicht ein“, meinte sein Bruder. „Dann nehme ich an, Sie haben auch nichts gesehen und gehört?“ Kommissarin Heyer sah das erwartete Kopfschütteln. „Gut, dann war es das fürs Erste. Wir kommen wieder.“ „Wie Sie meinen.“

 

3 B- Ralf und Leonie Bergmann

Bereits durch die Tür hatten die Kommissare das Ehepaar streiten gehört. Jetzt saßen die beiden mit Kaffeetassen vor sich am Esstisch und während sie in Bürokleidung war, sah er so aus, als richte er sich für einen Tag im Homeoffice ein. „Haben Sie gestern Abend etwas ungewöhnliches im Haus bemerkt? Stimmen? Etwas in der Garage? Einen Gast bei Herrn Hilger?“ „Ich nicht“, erwiderte die Frau knapp und warf ihrem Mann einen Blick zu. „Und Sie?“ „Ich war gestern mit Kollegen aus. Ich bin erst gegen halb 12 nach Hause gekommen. Da war fast alles ruhig.“ Ralf Bergmann suchte wortlos Zettel und Stift zusammen, um ihnen Namen und Ort aufzuschreiben. „Kannten Sie den Toten näher?“ „Jeder hier kannte den Schnüffler. Aber näher wollte niemand mit ihm zu tun haben. Wir auch nicht“, erklärte Leonie Bergmann. Von ihrem Mann kam ein zustimmendes Nicken. „Hatte er mit jemanden aus dem Haus besondere Probleme? Soweit wir gehört haben, soll er beim Streit mit jeder Partei im Haus belauscht worden sein. Auch mit Ihnen Herr Bergmann.“ „Was?“ „Das stimmt nicht, Schatz. Ich weiß nicht, wer das erzählt, aber ich habe mit ihm nur über die Parkplatzsituation draußen dis­kutiert.“ Seine Frau starrte ihn an. „Ich habe ihn mal mit Frau Braun von unten gesehen und mit den beiden von gegen­über.“ Sie hob ihren Blick nicht von ihrem Mann, als sie hinzufügte, dass die beiden zwischen 8 und 10 nicht die Tür geöffnet hatten, während ihr Fernseher geplärrt hatte und sie gegen ihre Tür gehämmert hatte. Ihr Mann gab an, als er beim Nachhausekommen drüben geklingelt habe, hatten ihm beide Brüder aufgemacht und kurz darauf den Fernseher ausgeschaltet. Er reichte ihnen die Liste mit seinen Kollegen und dem Namen des Restaurants, in dem sie gewesen waren.

 

Nach den ersten Befragungen schien nur eines klar: In diesem Haus stimmte etwas nicht.

Die Durchsuchung der Wohnung ergab, dass bei Mark Hilger eingebrochen wurde. Das Einzige was offensichtlich fehlte, war der Laptop, doch die Wohnung war durchwühlt, als wäre noch etwas anderes gesucht worden. Die gefundenen DNA-Spuren in der Wohnung waren verschiedenen Personen im Haus zuzuordnen. Auch an der Leiche wurden uneindeutige Spuren gefunden. Die Tatwaffe sollte ein Küchenmesser mit langer Klinge sein, das allerdings nicht gefunden wurde, Er wurde mit 10 Stichen getötet, eine Anzahl, die auf große Wut schließen ließ. Abgesehen davon, konnte die Tatzeit eingegrenzt werden. Mark Hilger war zwischen 8 und 11 Uhr abends erstochen worden. Eine Zeit, für die einige im Haus kein wasserdichtes Alibi hatten. Dr. Friedrich Senger war zwar online bei der Konferenz eingeschaltet gewesen, doch ohne Kamerabild und Wortbeitrag zur Tatzeit. Valerie Bironi hatte mit ihrer Schwester telefoniert, doch ihre Lebensgefährtin, die sie vor dem Haus ihrer Eltern gesprochen hatten, hatte angegeben nach einem Streit ziellos umhergefahren zu sein. Frau Braun war zwar von einigen Gemeindemitgliedern gesehen worden, doch zwischen 9 und halb 11 klaffte eine Lücke, in der niemand ihren Besuch bestätigt hatte. Das Alibi der Brüder wackelte, da sie auf das angebliche Klopfen von Frau Bergmann gegenüber nicht reagiert hatten. Herr Bergmann war zwar im Restaurant gesehen worden, aber niemand hatte gesehen, wann er gegangen war. Eine jede Wohnpartei hatte abgestritten Streit mit Mark Hilger gehabt zu haben, doch jede Partei war von mindestens einer anderen genau dessen beschuldigt worden. Die Frage war nun: Wer hatte bei all den Streitigkeiten Grund gehabt ihn umzubringen? Und wie wollten die Kommissare dies bei der dürftigen Spurenlage herausbekommen? Doch wenn alle mit ihm Probleme gehabt hatten, hatte er vielleicht bei allen im Privatleben herumgeschnüffelt und etwas gefunden. Die Kom­missare mussten die dreckige Wäsche nur finden.

 

Verhör Dr. Friedrich Senger

 

„Sie bestreiten also, in die Wohnung von Mark Hilger eingebrochen zu sein, obwohl wir Ihren Schuhabdruck bei ihm im Flur gefunden haben?“ „Selbstverständlich. Ich habe mir nachmittags Milch von ihm geliehen, so wird der Abdruck dorthin gekommen sein.“ „Dafür standen Sie sich also nah genug? Weshalb haben sie nicht bei Ihren Nachbarn gegenüber gefragt?“ „Weil die beiden keine Milch trinken. Das ist doch wirklich lächerlich.“ Dr. Senger ver­schränkte seine Arme vor der Brust. „Es wurde beobachtet, dass Sie mit Herrn Hilger gestritten haben. Worum ging es da?“ „Ich kann mich an keinen Streit mit ihm erinnern. Wer auch immer so etwas erzählt, der lügt.“ Kommissar Schmitt schlug eine Akte vor ihm auf. „Es ging also nicht darum, dass Herr Hilger rausgefunden hat, dass Sie Ihre Exfrau um mehrere Millionen betrogen haben?“ Für einen Augenblick erstarrte Dr. Senger und blinzelte. Er sagte keinen Ton. „Sie haben zwar daran gedacht, seinen Laptop zu klauen aber sein Handy vergessen. Die Suchanfragen dort, lassen den Schluss zu, dass er sich für Ihr Investment in die Comicbücher eines Ihrer Freunde inte­ressiert hat. Sie gaben Verluste an und verklagten ihn. Während Ihrer Scheidung. Kurz danach zogen Sie die Klage zurück.“ „Ohne meinen Anwalt werde ich dazu nichts sagen.“ „Sie wissen, was Ihnen geblüht hätte, wenn Herr Hilger all das öffentlich gemacht hätte, oder? Hat er sie damit vielleicht erpresst?“ Dr Senger zeigte keine Reaktion. „Ohne meinen Anwalt werde ich zu diesem Thema nichts sagen.“ „Mord ist ein höher bestraftes Thema. Aber Sie haben ihn umgebracht, nicht wahr? Weil er Ihren kleinen Trick herausbekommen hat.“ „Nein. Ich habe ein Alibi.“ „Niemand hatte ein Kamerabild von Ihnen oder kann sich an einen Wortbeitrag zur Tatzeit erinnern.“ Er seufzte. „Um 9 Uhr bin ich in den Keller ge­gangen, um eine Flasche Wein zu holen. Die wollte ich am nächsten Morgen meinem zu­künftigen Geschäftspartner schenken. Da habe ich Frau Maurer von gegenüber getroffen. Sie hatte Beziehungsprobleme und wir haben uns eine Weile unterhalten. Kann ich jetzt gehen?“

Kommentar schreiben

Kommentare: 0