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Einer sieht alles - Teil 3

Verhör von Theresa Maurer

„Worüber haben Sie und Frau Bironi am Tatabend gestritten?“ Kommissarin Heyer nahm gegenüber der Frau Platz.

„Ich denke nicht, dass das etwas mit der Tat zu tun hat.“

„Das entscheiden wir. Ihre Lebensgefährtin hat Tage zuvor einen Verlobungsring gekauft. Hat Sie Ihnen einen Antrag gemacht?“

„Und wenn es so war?“

„Dann wäre die Frage, warum Sie nicht ja gesagt haben.“

„Das geht Sie gar nichts an.“ Der Blick der Kommi­ssarin war unnachgiebig. „Ich finde einfach, wir müssen uns noch besser kennen lernen.“

„Es hat also nichts damit zu tun, dass Sie bereits verheiratet sind?“ Theresa Maurer starrte sie an, das Erschlaffen ihrer verhärteten Miene verriet ihr Entsetzen. „Woher...“

„Hat Mark Hilger heraus­gefunden, dass Sie mit einem Mann verheiratet sind und regelmäßig mit ihm bei Ihren Eltern auftauchen, damit Ihre Eltern Ihnen nicht die finanzielle Unterstützung streichen?“ „Das ist doch...“

„Was? Lächerlich? Aber genau das hat Ihr Ehemann nach eigener Aussage Mark Hilger gesagt, als der ihn danach gefragt hat. Ihre Eltern wissen nicht, dass Sie mit einer Frau zusammenleben und Ihre Freundin hat keine Ahnung, dass Sie ver­heiratet sind. Hat er Ihnen gedroht, beide Parteien einzuweihen? Hat er Sie erpresst?“ In ihrem Zögern lag die Gewissheit, dass es keinen Ausweg mehr gab.

„Ja, das hat er. Und ich war bereit zu bezahlen.“

„Bevor er praktischerweise umgebracht wurde?“

„Ich war das nicht. Er war doch viel kräftiger als ich!“

 „Vielleicht waren Sie es ja nicht alleine?“

„Unsinn!“

„Wie kommt dann Ihre DNA, in Form eines Haars in die Wohnung des Opfers?“

„Ich werde es dort verloren haben, als ich bei ihm in der Wohnung war, um über seine Er­pressung zu reden.“ Kommissarin Heyer lehnte sich in ihrem Stuhl zurück.

„Wollen Sie mir allen Ernstes weismachen, das Sie ihn einfach bezahlen wollten? Hatten Sie keine Angst, dass er seinen Mund trotzdem nicht hält und ihren gesamten Schwindel auffliegen lässt?“

„Ich wollte diesen Schwindel sowieso beenden, sobald ich finanziell abgesichert gewesen wäre. Ich brauche nur etwas Zeit. Valerie wird das verstehen.“

„Sie haben kein Alibi für die Tatzeit.“

„Als ich aus der Wohnung bin, wollte ich noch etwas aus dem Keller holen und bin dabei mit Friedrich ins Gespräch gekommen. Er hat mich beruhigt. Es hat bestimmt eine Stunde gedauert, bis ich losgefahren bin zu meinen Eltern.“

 

Verhör von Denise Braun

„Einige der Gemeindemitglieder sind alt und dement. Sie sind bestimmt mit der Uhrzeit und den Daten durcheinandergekommen.“ Die Stimme von Frau Braun war kaum zu hören.

„Und wieso haben sich dann auch keine Schwester und kein Arzt zwischen 9 und halb 11 erinnert Sie gesehen zu haben?“ Kommissarin Heyer stützte sich auf den Tisch, rutschte näher an sie heran. Frau Braun schien kleiner zu werden.

„Ich weiß nicht.“

„Hatten Sie Probleme mit Herrn Hilger?“ Kopf­schütteln. „Er hat also nicht herausgefunden, dass Sie eine Affäre mit Herrn Bergmann aus 3 B haben und Sie damit erpresst?“ Schweigen. „Wir haben Ihre Handy- und Kreditkartendaten überprüft, nachdem wir diese Bilder von Ihnen in den Mülltonnen vor dem Haus gefunden haben. Den Windeln dort drin nach zu urteilen, in einem Müllbeutel ihrer Familie.“ Sie breitete die Fotos vor ihr auf dem Tisch aus. Bilder der beiden in inniger Umarmung, küssend, Händchen haltend, Kaffee trinkend. Denise Braun sah nicht hin. „Er hat diese Bilder von Ihnen gemacht. Er hat sie in der Stadt entwickeln lassen. Hat er Ihnen gedroht, Sie Ihrem Mann zu zeigen?“

„Ich weiß nicht was Sie meinen.“

„Wir haben Ihre Telefonliste überprüft. Sie waren die letzte, die Herrn Hilger angerufen hat! Am Tatabend um halb 9. Haben Sie ihm gesagt, Sie übergeben ihm das Geld? Haben Sie sich mit ihm in der Tiefgarage verab­redet und dann sind Ihnen die Sicherungen durchgebrannt?“

„Nein!“ Weinend schlug Frau Braun sich die Hände auf die Ohren.

„Wir durchsuchen Ihre Wohnung! Ein Blutfleck auf einem ihrer Kleidungsstücke und Sie sind unsere Hauptverdächtige!“

„Nein, ich war das nicht. Ich habe ein Alibi. Ich war mit Herrn Bergmann zusammen. Wir saßen im Auto und haben geredet. Sagen Sie es bitte nicht meinem Mann.“

 

Verhör der Brüder

„Sie verweigern also die Aussage zu der Frage, ob Sie geklaute Autos weiterverkauft haben?“

Marius und Dominick Weiner starten zu Boden. Sie hatten noch keinen Ton gesagt.

„Ich nehme an, Sie wollen uns auch nicht sagen, weshalb Sie wiederholt Streit mit dem Opfer hatten?“ Kommissar Schmitt bekam zur Antwort wieder Schweigen. „Wir wissen von einem seiner ehemaligen Kollegen, dass er Ihnen hinterhergeschnuffelt hat. Hat er sie auch erpresst?“ Einer der Brüder kratzte sich an der Nase. „Sie werden sich in der Autosache verantworten müssen. Ein Geständnis kann Ihnen nur helfen.“

„Gibt nichts zu gestehen“, nuschelte Dominik Weisser.

„Nein? Ihr Alibi ist löchrig. Ihre Nachbarin hatte Sie gebeten den Fernseher leiser zu stellen, doch auf Ihr Klingeln und Klopfen kam keine Reaktion.“

„Wir wollten ihr nicht öffnen. Wir saßen den ganzen Abend vor dem Fernseher.“ Marius Weisser sprach ruhig, beinahe gelangweilt.

„Sie haben Overalls gekauft, die wir bei Ihrer Wohnungsdurchsuchung nicht finden konnten. Haben Sie die getragen, um beim Mord keine Spuren zu hinterlassen?“

„Wenn wir keine Spuren hinterlassen haben, warum glauben Sie dann, wir wären Mörder?“

 

Verhör von Ralf Bergmann

„Meiner Frau wäre es egal gewesen, hätte sie von Herrn Hilger erfahren, was zwischen mir und Denise läuft. Ich hatte keinen Grund ihn umzubringen.“

„Das soll wohl bedeuten, er hat Sie nicht erpresst?“ Kommissarin Heyer ging im Raum umher, während ihr Kollege Platz genommen hatte.

„Genau.“

„Vielleicht ging es dann in Ihrem Streit mit dem Opfer darum, dass er Ihre Affäre in Ruhe lassen soll? Für Frau Braun stand etwas mehr auf dem Spiel, oder?“ Ralf Bergmann blickte zur Seite. „Ich erinnere mich an keinen Streit mit ihm. Und außerdem wissen Sie mittlerweile wahrscheinlich, dass Frau Braun und ich zusammen waren zur Tatzeit.“

„Nach ihrer Aussage waren Sie mit ihr in Ihrem Auto und haben geredet. Demnach sind Sie mit Ihrem Auto zum Krankenhaus gefahren und nicht zum Essen mit Ihren Kollegen?“ Er nickte. „Wie kommt dann das Blut des Opfers an Ihre Felge? Sie sollten nach dem Mord heimgekommen sein. Der Blutfleck beweist, Sie waren vorher da und Ihr Auto stand während dem Mord auf dem Parkplatz neben dem der Mord passiert ist.“

Für einen Moment rutschte er schweigend auf seinem Stuhl hin und her. „Ich bin mit dem Fahrrad gefahren. Da meine Frau dachte ich trinke, habe ich das Auto stehen gelassen. Fragen Sie Frau Braun.“

„Glauben Sie mir, das werden wir“, sagte Kommissar Schmitt.

 

„Wir haben sechs potenzielle Tatverdächtige. Alle haben ein Motiv, fragwürdige Alibis, die sie sich auch noch selbst geben. Und es gibt keine eindeutigen Spuren. Wir können keinem der sechs wirklich mit der Tat oder dem Wohnungseinbruch in Verbindung bringen. Wir brauchen Beweise!“ Kommissar Schmitt stand am Whiteboard. „Ich tippe auf Frau Maurer. Gegen Sie liegt mit der zugegebenen Erpressung am meisten vor.“

„Aber wie soll eine Frau wie Sie einen Mann wie Herrn Hilger so zugerichtet haben?“

„Vielleicht macht sie ja Kampfsport.“

 

Seine Kollegin sah nicht überzeugt aus. „Keine Wohnungsdurchsuchung hat etwas ergeben, aber irgendwo muss der ganze Kram gelandet sein. Die Tatwaffe, der Laptop... Sie hatten nicht viel Zeit. Es...“ Sie brach ab. „Aber natürlich. Das ist es! Es gibt nur eine Person, die sämtliche Beweise entsorgt haben kann. Die Einzige, die in der Tatnacht nicht zuhause übernachtet hat. Wir müssen den Weg zu ihren Eltern absuchen.“ Eilig griff sie nach dem Telefon. 

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