
Ein normaler Samstag.
Es wäre zu gefährlich, würden wir uns bei mir treffen. Ich trage eine Kappe und eine Sonnenbrille, als ich an diesem Nachmittag das Haus verlasse. Es ist heiß. Die Sonne steht am blauen Himmel, bereits etwas tiefer als noch vor wenigen Wochen. Wir befinden uns irgendwo zwischen Hoch- und Spätsommer, doch an Tagen wie diesen ist es undenkbar, dass es in wenigen Wochen Herbst werden könnte. Ich fahre durch die Kleinstadt. Die Straßen flimmern leer in der Hitze. Nur die Eisdielen sind voll. Spaziergänge flanieren im Park und sitzen in Cafés. Die meisten werden im Schwimmbad liegen. Der Supermarktparkplatz ist gut besucht. Normale Menschen nutzen den ersten Tag des Wochenendes für Einkäufe. So wie du.
Du hast gesagt, du fährst einkaufen und zum Baumarkt. Das gibt uns eine bis anderthalb Stunden. Ich fahre zwei Orte weiter. Ich fahre eine Straße hinauf, die links von Reihenhäusern gesäumt ist. Rechts liegt eine Schule, samt Halle und Sportplatz. Der riesige Parkplatz davor ist verwaist. Bis auf dein Auto, das im Schatten steht. Ich parke neben dir und springe auf deinen Beifahrersitz. Du lächelst.
„Hey.“ Ich kann nicht denken. Wir küssen uns. Du trägst ein T-Shirt und eine kurze Sporthose. Du riechst nach Parfum und Schweiß. Du schmeckst nach Kaffee. Ich kann nicht aufhören, dich zu küssen, meine Hände erkunden deinen Körper wie ein Kind mit den Augen einen Schokoriegel erkundet. Dein Atem wird schwerer als ich mich südlicher taste. Du stöhnst und hältst dich an mir fest, bis die Anspannung abfällt. „Gib mir einen Moment“, flüsterst du atemlos.
Dann beginnst du mich zu verwöhnen. Ich kralle mich in deinem Nacken fest. Wir küssen uns, bis wir Luft holen müssen. Ich liege in deinem Arm. Wir schwitzen. Es ist heiß. Ich möchte nirgendwo sonst sein.
„Ich liebe dich“, murmelst du in mein Ohr.
„Ich dich auch.“ Für mich, steht die Zeit still. Doch ich sehe, wie du auf die Uhr schaust. Und ich sehne mich nach Normalität. Nach einer Normalität, die wir weder besitzen, noch sind.
„Wie lange haben wir noch?“ Die Enttäuschung macht meine Stimme tiefer, beißt mich.
„Ich habe ihr gesagt, ich bin um fünf wieder da. Und ich muss ja noch einkaufen.“ Mehr sagst du nicht. Aber ich weiß, was das heißt. Nicht mehr lange. Ich weiß, du willst Normalität. Aber ich weiß nicht immer, welche Normalität du möchtest.
„Wirst du mit ihr reden?“
Du seufzt. „Ich weiß es nicht.“
Ich stemme mich aus deinen Armen. Du lässt mich los und ich sehe den Schmerz in deinem Gesicht. „Glaubst du immer noch nicht an uns? An mich?“
„Ich glaube nicht an mich.“
„Ich bitte dich.“
„Du bist die großartigste Frau, die ich kenne. Du hast einen Doktor, du siehst unglaublich aus und hast den tollsten Humor, den ich kenne. Du könntest jede haben.“
„Ich will aber nur dich.“ Ich sehe dich an, wie ich dich sooft angesehen habe. Ich sage es, wie ich es sooft gesagt habe.
„Und wie lange?“
„Das geht jetzt schon seit anderthalb Jahren mit uns!“
„Was ist, wenn du in drei die Schnauze voll von mir hast? Du bist in Kreisen unterwegs, die von mir nichts wissen wollen. Einer kleinen Physiotherapeutin, die von morgens bis abends schuftet.“
„Ich kann diesen Schwachsinn nicht mehr hören.“ Wir führen diese Diskussion, ohne eine Lösung zu finden. „Und deshalb bleibst du bei ihr?“
Du sagst nichts. Du legst sanft deine Arme um mich und ziehst mich an dich. Du bedeckst mein Gesicht mit Küssen. „Hast du dich auf deine Vorlesung vorbereitet?“ Ich nicke und versuche die Tränen herunterzuschlucken. Den Wunsch nach Normalität.
„Wann geht ihr heute Abend auf die Party?“
„Um kurz vor sechs.“
„Ich mag es nicht, dass du mit ihr da auftauchst.“
„Du hast überhaupt keinen Grund eifersüchtig auf sie zu sein. Wirklich nicht.“ Wir verabschieden uns mit langen Küssen. Dann fährst du weg, zum Supermarkt und in dein normales Leben zurück. Eines, das so normal aussieht wie meines. Es ist ein Verbrechen, an so einem schönen Sommertag traurig zu sein. Es ist so unnormal.
Als ich zurückfahre, riecht es nach Grillkohle, Radfahrer sind unterwegs. Sie alle führen normale Leben, tun an einem Samstag normale Dinge. Ich fühle mich sperrig, als ich vor meiner Wohnung parke. Mein Nachbar steht draußen und raucht. Er wird auch zu der Party gehen. Wir grüßen uns. Er sagt, er wartet auf ein Uber. Normale Dinge. Ich betrete meine Wohnung, sehnsüchtig nach normalen Dingen. Es ist laut in mir und gleichzeitig ganz leise.
Während du dich anziehst und zur Party aufbrichst, setzte ich mich mit einem kalten Bier und meinem Block und einem Stift in den Garten. Die Sonne geht allmählich unter, fällt auf den Horizont, als ich eine Liebgeschichte beginne. Unsere Version von Romeo und Julia. Wir sind nicht wie die anderen, wir sind nicht normal. Und vielleicht existieren wir in der Normalität gar nicht.
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