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Ein Märchen

 

Es war einmal eine Bar, in der ging es hoch her.

 

Im gedimmten Licht waren alle Plätze besetzt und auf der kleinen Tanzfläche drängten sich Körper in Kleidern und engen Hemden aneinander. Frieda und Karla saßen an ihrem üblichen Platz an der Theke und beobachteten die Talente.

 

„Siehst du den da hinten? Sein Arsch sagt er kann was, aber sein Gesicht würde ich mir dabei nicht ansehen wollen.“ Frieda nickte mit ihrem Kinn in Richtung Tanzfläche.

 

„Der hat sowieso eine Freundin“, meinte Karla. „Mir sind die heute alle zu dick irgendwie. Haben die Fitnessstudios im Umkreis geschlossen, oder was? Und die Türsteherinnen werden auch immer blinder.“

 

Frieda verschluckte sich vor Lachen fast an ihrem Drink. „Siehst du den da vorne? Der ist das einzige da drin, was mir Hoffnung macht.“ Frieda rief die Barkeeperin zu sich. „Stell dem hübschen Ding da vorne doch nochmal ein Bier hin.“

 

Sie warteten, bis der Mann sein Bier bekam. Er warf ihnen lächelnd einen Blick zu, um sich zu bedanken. „Dann hol ich den Fisch mal an Land“, meinte sie und glitt von ihrem Hocker. Karla beobachtete, wie sie ihn ansprach. Doch es dauerte kaum fünf Minuten, bis sie zurück war. „Der ist bestimmt schwul“, behauptete sie.

 

Karla lachte. „Du hast es einfach nicht drauf.“

 

Der DJ änderte sein Set und innerhalb von wenigen Minuten füllte sich die Tanzfläche restlos. Inklusive einer Gruppe muskulöser Männer in engen Shirts. Karla und Frieda ließen ihre Drinks stehen und tanzten sich langsam zu der Gruppe vor. Frieda hatte sich einen Dunkelhaarigen ausgesucht, dessen Sixpack unter seinem Shirt zu erkennen war. Sie versuchte ihn anzutanzen, doch er drehte sich mit einem höflichen Lächeln um. Frieda begann ihn von hinten anzutanzen und legte ihre Hände an seine Hüften. Er löste sich angewidert von ihr.

 

„Ach komm schon, du willst es doch auch. Dann zieh dir halt nicht so was an!“

 

Der Typ verschwand, ohne auf ihre Worte zu reagieren.

 

„Wie kann man nur so empfindlich sein? Der hat ja mal gar keinen Spaß verstanden“, sagte Frieda und suchte sich ihr nächstes Ziel aus. Erfolglos. Nach einigen Minuten saßen sie mit neuen Drinks wieder an der Bar.

 

„Sieht so aus, als gäbe es für dich heute nicht allzu viel abzureiten“, zog Karla sie auf.

 

„Ja, was soll’s. Heute ist sowieso ein Scheißtag. Wir hatten heute ein Meeting, weil unser Sekretär meint, er würde sexuell belästigt werden. Nur weil wir manchmal ein paar Sprüche klopfen.“

 

„Du auch? Was sagt ihr denn?“

 

„Naja, was man halt so sagt. Dass er zwar nicht fürs Denken bezahlt wird, es aber ganz nett wäre, wenn er mal mitdenken würde, als den ganzen Tag seinen Bizeps anzuspannen. Angeblich hat ihn eine der Juniorpartnerinnen neulich im Aufzug wohl an seinem Würmchen berührt. Und er meinte, er hätte gehört, wie ich und eine Kollegin darüber geredet haben, was wir gerne mit ihm im Schlafzimmer anstellen würden.“

 

Karla lachte. „Da will wohl mal wieder jemand mehr sein als die heiße Tippse.“

 

„Wem sagst du das.“

 

„Sag mal, warum läuft da hinten eigentlich Männerfußball?“, fragte Karla. „Hey Tina, schalt doch mal den Zirkus da hinten weg. Dieses Festival an gegelten Haaren will doch keiner sehen. Mein Mann guckt das jetzt auch so gerne. Wo kommen wir denn da hin?“

 

„Hat er eigentlich nochmal diese Diskussion wegen der Elternzeit angefangen?“

 

„Zum Glück nicht. Ich hock mich doch nicht monatelang mit dem Kleinen nach Hause. Wer scheffelt denn hier das Geld?“

 

„Ich versteh auch gar nicht, warum er sich beschwert. Er hat doch jetzt Zeit fürs Fitnessstudio und die Playstation. Man kann es denen auch nie recht machen.“

 

Sie stießen an.

 

Und wenn sie nicht gestorben sind …

 

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