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Nats Briefe

Hey Champ,

wir haben uns lange nicht mehr gesprochen. Du scheinst viel beschäftigt zu sein im Moment. Es ist schade, dass du keine Zeit mehr für einen Kaffee morgens hast. Für mich beginnt die Arbeit so immer ganz gut, wenn ich dir von meinem Wochenende erzählen kann. Wir haben jetzt am Samstag eine Fahrradtour mit der ganzen Familie gemacht. Das war vielleicht anstrengend mit den Kleinen, aber es war eine gute Ablenkung, nachdem ich vorher noch zwei Präsentationen fertig gemacht habe. Stell dir vor, da bastele ich alles zusammen, füge Effekte ein und so weiter und dann sagt der Chef, er will es anders. Warum kann er das nicht früher sagen? Ich habe doch gefragt! Jetzt hab ich wieder doppelte Arbeit!  Ich bin auch echt blöd, dass ich mir so eine Arbeit mache, es schätzt ja sowieso keiner im Büro. Ich denke ich werde mal mit dem Chef reden, dass ich mir für die zwei Tage jetzt am Wochenende einmal inoffiziell Urlaub nehmen darf. Das ist ja nur fair. Das letzte Mal als ich krank war, habe ich ja auch noch Mails beantwortet. Das nächste Mal werde ich das nicht tun. Es ist bei einer schweren Erkältung ja mal erlaubt, sich ein paar Tage auszuruhen, oder?

Wie läufts denn bei dir? Im letzten Meeting klang es, als würdest du vorankommen. Du hast auch wirklich immer Glück, dass deine Projekte so gut weiterkommen. Das bräuchte ich auch mal. Aber ich werde wohl nie befördert, dafür bräuchte ich auch mal ein eigenes Projekt, aber ich darf ja nur die Drecksarbeit machen. Erst gestern hat der Chef mich wieder nach meiner Meinung zur Bewerbung

von so einem Kerl gefragt, der in unsere Abteilung will und wie geleckt aussieht. Du hast es gut, dass du dein eigenes Ding machen darfst und er dich in Ruhe lässt. Stimmt es eigentlich, dass du eine Gehaltserhöhung bekommen hast? Das ist auf jeden Fall gut für dich. Ich denke, ich werde das auch fordern, oder was meinst du? Vielleicht lasse ich dich morgen mal über die Mail drüber lesen. Aber wenn andere sowas bekommen habe ich das auf jeden Fall auch ver­dient. Ich reiße mir hier Tag für Tag den Arsch auf.

PS: Komme die nächsten Tage später, ich komme morgens so schlecht aus dem Bett.

Nat

 

Lieber Kollege,

sind dir die beiden alten Computer aufgefallen, die ich neben die Treppen gestellt habe? Ich denke ich räume mal das verlassene, kleine Büro auf. Vielleicht kann sich ja jemand um die Entsorgung vom Elektromüll kümmern und die Sachen runterbringen? Ich kann ja nicht alles machen neben meiner Arbeit. Ich habe aber auch ein neues Abheftesystem etabliert, das erkläre ich dir morgen. Jedenfalls habe ich das Büro etwas ausgeräumt. Wir brauchen ja bald auch Platz für die Akten von dem neuen Fall. Ich weiß manchmal echt nicht mehr, wie ich das alles schaffen soll. Ich fühle mich wie der Depp vom Dienst. Bei all dem schaffe ich es momentan noch nicht mal mehr Sport zu machen. Lass uns das doch mal zusammen machen. Klar, du bist ein bisschen fitter als ich, aber du kannst mich super pushen. Du konntest mir doch bestimmt ein paar Übungen aufschreiben, oder? Das würde mir wirklich helfen. Momentan läuft zuhause auch nicht alles rund. Wir haben mal wieder Streit, weil sie ein drittes Kind will und ich finde, zwei sind erstmal genug. Habe ihr gesagt, dass ich ja die Mäuler stopfen muss. Hin und wieder bin ich zu direkt, aber das muss manchmal sein, denke ich. Was meinst du? Du kannst mich da aber schon verstehen, oder? Hasst du es nicht auch, ausgenutzt zu werden? Wer macht morgen eigentlich die Essensbestellung? Ich nehme die 34 mit extra Käse. Vielleicht kannst du das ja schon mal weitergeben? Ich werde morgen nämlich ein bisschen später kommen. Ich werde mir dieses Buch holen, dass du gelesen und von dem du so geschwärmt hast. Jetzt wo ich meine Gehaltserhöhung bekommen habe, kann ich ja ein bisschen Geld auf den Kopf hauen. Bringt das bei dir denn was? Ich kann definitiv mehr Ruhe und Gelassenheit gebrauchen. Rate mal, wer mir vorhin zwei Minuten beim Aufräumen geholfen hat und sofort Lob vom Chef bekommen hat. Ich habe dann erstmal klargestellt, dass ich den Hauptteil davon gemacht habe. Ich dachte schon, er sieht das nicht, aber er meinte, dass wüsste er schon. Meinst du, das war jetzt zu aufdringlich? Aber manchmal reicht es mir auch einfach. Ein bisschen Anerkennung wäre schon schön. Als meine Gehaltserhöhung nicht drauf war, bei der letzten Überweisung, dachte ich auch, die haben das schon wieder vergessen. Aber dann kam es doch. Ups. Dann bis morgen.

Nat

 

Liebes Kollegenschwein,

so langsam nervt mich dein Verhalten wirklich. Du hast auf nichts reagiert, was ich dir ge­schrieben habe. Aber so ist die Welt wohl in der wir leben. Dabei habe ich vorhin noch versucht dir zu helfen! Du solltest mehr Mitspracherecht bei diesen Entscheidungen fordern und auch ein eigenes Büro bekommen. Die entscheiden sonst alles über deinen Kopf hinweg und ich erkenne das wenigstens im Vergleich zu den anderen. Ich würde das nicht mit mir machen lassen. Und ich werde auch nicht mehr mit mir machen lassen was du tust! Du hast gar nichts zu meinen Briefen gesagt! Ich glaube, es interessiert dich gar nicht, was bei mir so los ist. Aber bitte, wie du meinst, dann werde ich eben auch nicht mehr fragen, wie deine Wochenenden so waren. Anscheinend interessiert es dich auch nicht mehr, wie hart ich arbeite. Du hast nichts zu dem Abheftesystem gesagt und dazu, was ich alles für die Allgemeinheit bei uns tue. Wenn du nur zum Arbeiten kommst, dann bitte, aber ich bin bemüht, dass die Dinge auch funktionieren. Ich bin da eben nicht so egoistisch wie du. Du machst nie einen Schritt zu viel! Mir wurden jetzt and noch zwei Trainees aufs Auge gedrückt. Ich weiß echt nicht, wie ich das alles schaffen soll! Und alles was ich wollte, war mit dir Sport machen und über das Buch zu reden, dass du empfohlen hast. Weißt du denn nicht, wie gut es tut, mit dir zu reden? Du bringst mich immer gut runter. Und ich kann dir mit meiner Erfahrung auch sehr gut helfen. Ich bin schließlich ein paar Jahre älter als du. Alles was dir jetzt in den Schoß fällt war meine harte Arbeit. Und ich dachte es interessiert dich. Wenn du glaubst, ich stelle mich beim nächsten Kongress wieder hin und zieh mir einen großen Vortrag aus dem Ärmel, dann hast du dich geschnitten. Das kannst schön du tun. Du bist doch so erfolgreich. Ich habe es end­gültig satt. Macht euren Scheiß alleine!

 

Lieber Nat,

ich habe deine Briefe gelesen, aber ich weiß nicht, wo ich anfangen soll. Was willst du von mir hören? Dass ich es genieße, wenn du dich montags ungefragt an meinen Schreibtisch setzt, deinen Kaffee schlürfst und mir Geschichten von deinem Wochenende aufdrängst? Es freut mich ja, wenn du schöne Dinge unternimmst, aber findest du nicht auch, dass unsere Leben viel zu verschieden sind, als dass ich dazu etwas sagen könnte? Außerdem arbeite ich. Ich glaube, dir fällt gar nicht auf, wie oft du dich immer und immer wieder über genau dieselben Sachen beim Chef beschwerst. Um ganz ehrlich zu sein, ich kann es nicht mehr hören. Vielleicht ist er schwierig, aber vielleicht musst du auch nur erwachsen werden und lernen mit ihm zu reden oder selbstsicherer werden. Manchmal fühle ich mich wie dein Mülleimer und Therapeut in einem. Du brauchst mehr Bestätigung als jeder Mensch den ich kenne. Und das jeden Tag aufs Neue. Egal, wie oft ich dir etwas sage, am nächsten Tag möchtest du es wieder hören. Es freut mich ja, wenn ich dir helfen kann, aber all die Bestätigung, die du dir wünschst kann dir vielleicht nur deine Mutter geben. Es ist wirklich anstrengend dein Cheerleader zu sein. Vor allem, weil du mir nie zuhörst. Ist dir in den Sinn gekommen, dass bei mir auch Dinge schieflaufen? Dinge, die ich dir nicht einmal mitteilen kann, weil alle deine Synapsen mit deinem eingebildeten übertriebenen Drama besetzt sind. Du redest und redest, als würdest du mich nicht hören. Deshalb habe ich aufgehört zu reden. Ich werde dir auch nicht mehr sagen, dass du dich auf die meiner Meinung nach, falschen Werte und Dinge konzentrierst. Mitt­lerweile denke ich, du verstehst es einfach nicht. Also ja, es ist mir egal, was dich mal wieder über alle Maßen belastet. Du lebst für das Beschweren und Jammern. Aber ich ertrage es nicht mehr. Es ist nichts Persönliches, aber ich kann es nicht mehr hören. Wenn du irgendwann einmal auf der Suche nach Lösungen sein solltest, dann versuche ich gerne dir zu helfen, doch solange du nur deinen Frust loswerden und gelobt werden willst, such dir jemand anderen. Ich hoffe du verstehst das.

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