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Selbstwahrnehmung

Spieglein, Spieglein an der Wand, wer ist die Schönste, Klügste, Beste im ganzen Land?

 

Der Spiegel wird uns antworten, wenn auch nicht so, wie in dem Märchen „Schnee­wittchen“. Wir alle haben Meinungen über uns selbst die wir glauben. Diese Meinungen variieren von Mensch zu Mensch, aber drei dieser Selbstmeinungen sind beinahe uni­versal, wie Robert Greene es im Buch The Laws of human nature beschreibt. Wir alle denken, dass wir selbstbestimmt handeln, aus eigenem freiem Willen, dass wir auf unsere Weise intelligent sind und das wir prinzipiell gut sind und das Richtige tun. Wenn jemand unserer Selbstwahrnehmung widerspricht, mögen wir das nicht und verteidigen uns automatisch. Wir beharren auf unserem Selbst­bild. Aber warum fällt es uns so leicht, andere Menschen wahrzunehmen, zu erkennen, wo sie sich selbst etwas vormachen und so unendlich schwer, dass bei uns selbst zu erkennen?

Mehrere psychologische Experimente haben sich genau mit diesem Phänomen befasst. Die Psychologen Gilorid und Williams tauften es den „better than my average effect“, nach dem wir andere Menschen zwar stets nach deren durchschnittlichen Leistungen beurteilen, bei uns selbst allerdings unsere Bestleistung als Referenzleistung nehmen, um uns zu beur­teilen. Der Dunning-Kruger-Effekt besagt sogar, dass wir uns gerade in den Bereichen überschätzen, an denen es uns an Kompetenzen fehlt. Frei nach dem Motto: Wie sollen wir uns und unsere Leistungen korrekt einschätzen, wenn es uns an Kompetenzen fehlt?

Das in den 1950 er Jahren entwickelte „Johavi-Fenster“ beschreibt den Teil unserer Persönlichkeit, in dem andere einen besseren Einblick haben als wir selbst den „blinden Fleck“. Dieser umfasst Facetten unserer Persönlichkeit, die weder sehr positiv noch negativ behaftet sind. Bei solchen Eigenschaften, zu denen auch die Intelligenz gehören soll, ist unsere Wahrnehmung oft begrenzt - der Blick von außen dagegen akkurater. Demnach scheint es auf dem Weg zur Selbsterkenntnis hilfreich zu sein, sich mit fremden Augen zu betrachten. Nur ist genau das eben gar nicht so einfach.

Aber möglicherweise ist es nicht allzu schwer, uns selbst besser wahrzunehmen. Ein Orakel bestätigte Sokrates, der weiseste Mensch in Athen zu sein - etwas, das er nicht glauben wollte. So zog er los und befragte weise Köpfe aus allen möglichen Bereichen, unter anderem der Politik. Bei Fragen zu Wissen aus ihren Bereichen erwiesen sie sich als Experten, doch in anderen Themen erwiesen sie sich als unwissend, trotz der Expertise, mit der sie darüber sprachen. Letztendlich gaben sie nicht viel mehr als Binsenweisheiten zu diesen Themen von sich. Sokrates dagegen, war sich seiner eigenen Ignoranz bewusst, was ihn zum weisesten Menschen in Athen machte.

 

Wir sollten uns alle daran erinnern, dass es vollkommen in Ordnung ist, nicht in allen Bereichen Expertenwissen zu haben. Wir müssen niemanden beeindrucken. Letztendlich sind wir genau dann weise, wenn wir zugeben, was wir nicht wissen und bereit sind zu lernen.

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